Geschichte der Geschichtswerkstatt

 

Rückblick auf 20 Jahre Geschichtswerkstatt Gieboldehausen

 

Der Anstoß zur Gründung der Geschichtswerkstatt Gieboldehausen erfolgte im November 1998, als der damalige Ortsheimatpfleger Victor Emmerich zu einem Vortrag ins Schloss zu dem Thema „Aus der Arbeit eines Ortsheimatpflegers“ eingeladen hatte. Er erzählte von seiner Arbeit und beklagte am Schluss seiner Ausführungen das mangelnde Interesse der Bevölkerung an seiner Arbeit. Victor Emmerich entwickelte die Idee, eine Art Geschichtswerkstatt zu gründen, in der interessierte Personen mitwirken könnten. Spontan erklärten Michael Döring, Günter Sommer und Gerhard Rexhausen ihre Bereitschaft zur Mitarbeit. Man kam überein, schon in der folgenden Woche mit der Arbeit anzufangen. Als wöchentlicher Termin wurde der Dienstagnachmittag festgelegt. Treffpunkt war der Raum des Heimat- und Verkehrsverein im Schloss, in dem auch das Archiv untergebracht war.

 

Wie sah es nun im dortigen Archivraum aus? Ein paar alte verbeulte Blechschränke, ein Schreibtisch, einige Stühle, ein alter kaum noch zu gebrauchender Computer und ein Stapel Kartons, in denen ungeordnet jede Menge alte Schriften eingelagert waren. Victor Emmerich erklärte uns, was zu tun sei. Jeder bekam einen Karton mit Akten und wir versuchten, dieselben zu entziffern und dann zu ordnen. Günter Sommer und ich hatten zwar in der Schule noch die Sütterlinschrift erlernt, aber das hatte mit dem, was wir lesen sollten, wenig gemein. Michael Döring bemühte sich dann, das Ergebnis unserer Bemühungen in den maroden Computer einzugeben und zu speichern.

 

Zuerst mühsam, später dann mit wachsendem Erfolg kamen wir zu ersten Ergebnissen. Es war schnell klar, dass wir als erstes einen leistungsfähigen Computer brauchten. Mit Unterstützung der Gemeinde und des Heimat- und Verkehrsvereins wurde ein solcher angeschafft, zusammen mit einem A3-Scanner, bald darauf folgte ein A3-Kopierer. Wir waren nun in der Lage, alte Dokumente zu kopieren, um diese dann zu Hause in aller Ruhe abzuschreiben. Bald folgte dann ein Kartenschrank für die alten Orts- und Flurpläne. Als dann ein moderner Dia-Schrank und ein zweiter Schreibtisch in den Raum kamen, wurde es eng. Um Platz zu schaffen wurden die alten Blechschränke ausrangiert und an deren Stelle ein geräumiges Regal aus Stahlelementen aufgebaut.

 

Die ersten zwei Jahre unserer Arbeit waren eigentlich eine Art Lehre und Vorbereitung auf die folgenden Jahre. Viktor Emmerich, der eine große Erfahrung in der Archivarbeit hatte, haben wir es zu verdanken, dass aus unserem anfänglichen Bemühen später doch ein recht ansehnlicher Erfolg wurde. Leider zog sich Emmerich bedingt durch seine schwere Krankheit bald aus der Mitarbeit zurück. Auch Michael Döring konnte berufsbedingt nicht mehr so intensiv mitarbeiten. Wir hatten das Glück, dass unser Team im Herbst 2000 durch Willi Bode verstärkt wurde. Mit ihm konnten wir einen Mitarbeiter gewinnen, der sich verstärkt um die Computerarbeiten kümmerte. Er führte die Digitalisierung unserer jahrhundertealten Dokumente und historischen Fotos durch. Er und Günter Sommer – unser Spezialist für Familienforschung – machten sich um die Erstellung des Häuserbuchs von Gieboldehausen verdient.

 

Im Januar 2000 wurde die Historikerin Dr. Sabine Wehking mit der Erstellung einer „Chronik des Fleckens Gieboldehausen“ beauftragt. Der Fleckenrat hatte die Idee, ihre Arbeit an der Chronik solle durch die Geschichtswerkstatt unterstützt werden. Daraus entwickelte sich eine für beide Seiten äußerst fruchtbare Zusammenarbeit. Mit den Recherchen zur Chronik und der Arbeit am Häuserbuch sowie den Vorbereitungen zum Jubiläum „1000 Jahre Gieboldehausen“ hatten wir in den nächsten Jahren vollauf zu tun. Am 24. Januar 2003 konnte dann im Pfarrsaal unter großer Anteilnahme der Bevölkerung die „Chronik des Fleckens Gieboldehausen 1003–2003“ präsentiert werden, die bereits kurz nach ihrem Erscheinen vergriffen war.

 

Im Mai 2002 wurde ich zum Ortsheimatpfleger bestellt und Nachfolger des am 15. November des vorangegangenen Jahres verstorbenen Herrn Viktor Emmerich. Wir werden Victor Emmerich als den Gründer der Geschichtswerkstatt stets in guter Erinnerung behalten.

 

Ausgelöst durch die verschiedenen Veranstaltungen im Jubiläumsjahr hatte sich bei den Einwohnern des Fleckens ein gesteigertes Interesse an der Geschichte des Ortes und ihrer Familien entwickelt. Das dokumentierte sich auch an dem am 18. Mai 2003 von der Geschichtswerkstatt des Heimat- und Verkehrsvereins veranstalteten „Tag des offenen Archivs“ im Schloss, der mit einer Ausstellung alter Archivalien und historischer Fotos verbunden war. Das von der Geschichtswerkstatt erarbeitete Häuserbuch wurde an diesem Tag ebenfalls vorgestellt. Die Besitzer fast aller Häuser des alten Ortskerns sind im Häuserbuch bis ca. 1638 zurück nachgewiesen. Zahlreiche Besucher nutzten die Gelegenheit und ließen sich die auf ihr Haus bezogenen Seiten des Häuserbuches mit Listen der vorherigen Besitzer ausdrucken.

 

Erfreulich aus Sicht der Gemeinde und der Geschichtswerkstatt ist der Umstand, dass Sabine Wehking sich bereiterklärte, auch nach Abschluss des Jubiläumsjahres in der Geschichtswerkstatt weiter mitzuarbeiten. Im März 2004 begann die Geschichtswerkstatt mit der Sichtung und Archivierung der umfangreichen Archivalien der kath. Kirchengemeinde St. Laurentius. Dieser Bestand an alten Akten und Schriften lag verstreut auf dem Dachboden des Pfarrhauses nur mit einer Plane abgedeckt. Damit uns dieser Bestand zur Bearbeitung zur Verfügung gestellt werden konnte, bedurfte es eines Beschlusses durch den Kirchenvorstand. In zweijähriger Arbeit wurde die mühsame Aufgabe bewältigt. Das von uns nach Vorgaben des bischöflichen Archivs Hildesheim in Mappen und Kästen geordnete Pfarrarchiv, das im Keller der Pfarrhauses untergebracht war, wurde im Sommer 2010 ohne Vorankündigung durch Mitarbeiter des bischöflichen Archivs Hildesheim abgeholt.

 

Nebenbei verfassten wir noch eine kleine Chronik zum 150. Jubiläum der Wallfahrtskapelle auf dem Höherberg im Jahre 2006. Im Jahre 2005 wurde uns vom Diözesanarchiv Hildesheim eine Kopie der in Hildesheim eingescannten Kirchenbücher der Pfarrei St. Laurentius (1694–1918) überlassen. Es bedurfte einer gewissen Ausdauer aller Mitglieder der Geschichtswerkstatt, um sämtliche Taufen, Heiraten und Todesfälle in Tabellen in den Computer zu schreiben. Inzwischen war Hans-Jürgen Thiemann zu uns gestoßen. Gleichzeitig mit der Transkription der Kirchenbücher durch die vier Herren der Geschichtswerkstatt begann Sabine Wehking damit, diese Daten in eine genealogische Datenbank einzugeben, die ein „digitales Ortsfamilienbuch“ darstellt. Da diese „Freizeitbeschäftigung“ sehr umfangreich war, wurde sie erst Ende 2010 abgeschlossen und am 15. April 2011 der Öffentlichkeit vorgestellt. Im Jahr 2010 wurden die Bestände des Gemeindearchivs Gieboldehausen neu geordnet und dabei auch aus der Gemeindeverwaltung übernommene Akten eingearbeitet. Das Archiv ist seither in spezielle Archivmappen und -kartons sortiert, das Ordnungsprinzip erlaubt die weitere Einarbeitung von Akten der Gemeindeverwaltung. Im Herbst 2011 konnte die Geschichtswerkstatt mit Aloys Kühne ein neues Mitglied gewinnen, das die Website der Geschichtswerkstatt erstellt hat und weiterhin betreuen wird.

 

Abschließend kann gesagt werden, dass durch die ehrenamtliche Arbeit der Geschichtswerkstatt, die weit über das übliche Maß hinausgeht, bei den Bürgerinnen und Bürgern des Fleckens Gieboldehausen ein ganz neues Geschichtsbewusstsein entstanden ist, das erfreulicherweise auch bei der jüngeren Generation geweckt werden konnte. Die Geschichtswerkstatt trifft sich seit ihrer Gründung an (fast) jedem Dienstagnachmittag im Schloss, um ihre Arbeit fortzusetzen und interessierten Besuchern mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.